Der abbildenden Funktion von Kunst,
der primären Funktion von Kunst überhaupt, kommt in Gisbert Danbergs Schaffen zentrale Bedeutung zu. Damit reiht er sich ein in die Riege der Apologeten von Aristoteles’ Nachahmungstheorie, einer künstlerischen Position, die seit der Antike die Antinomie zwischen Zustimmung und Ablehnung gegenüber der Wirklichkeit kennzeichnet. Danberg entwickelt in seinen Gemälden eine besondere Affinität für die Wiedergabe differenzierter optischer Phänomene wie Stofflichkeit, ausgeklügelte Licht- und Schattenwirkungen, Volumen und Plastizität, die er fast fotografisch detailgetreu gestaltet. In der Akzentuierung feiner Kunstmittel und der präzisen Aneignung der Erscheinungswelt ponderiert er heterogene Modi aus, kontrastiert stilistische Rezeptionen mit aktuellen Zeitbezügen.
Gisbert Danberg schafft so Werke von außerordentlichem ästhetischem Reiz und faszinierender Eigenständigkeit. Die Verarbeitung der Medien „Fotografie“ und „Film“ affirmiert diese Ausrichtung, wobei die Malerei in der Zusammenfügung disparater Wirklichkeitsteile wie auch in der pointierten Veranschaulichung von Gegenständen durchaus in der Lage ist, das bloße Abbild zu überbieten, indem sie Spannungsbezüge komplexerer Struktur visualisiert, die auf vielfältige Art zur Reflexion animieren. Der Suggestivkraft von Danbergs Malerei kann sich der Betrachter kaum entziehen, da die Wahrnehmung zu einem Erlebnis wird, das nachwirkt, denn dem sinnlichen Eindruck folgt unmerklich das sich Vergewissern, das Sehen transformiert zum Denken.
(Dr. Elisabeth Kessler- Slotta)
Landscapes
Natura morte
Drei andere Ölbilder zeigen Darstellungen von Papiertragetaschen, Allerweltsgegenständen sozusagen. Um „Ungleiche Zwillinge“ handelt es sich im Hochformat, während das Querformat gleicher Größe drei Exemplare mit dem Titel „Drei Faltige“ zeigt. Der Betrachter kann sich ungehindert dem Erkunden der malerischen Gestaltung zweier Alltagsprodukte widmen, die jedem von uns zum Transport beliebiger Konsumartikel hinlänglich vertraut, in dieser exklusiven Alleinstellung eine außergewöhnliche Aufwertung erfahren. Präzise und differenziert sind die materialeigenen Faltungen des Werkstoffes Papier erfasst, angefangen bei den prägnanten horizontalen Kniffen im vormals zusammengelegten Status über die diversen Knicke des formbaren Materials bis hin zu den mannigfaltigen Gebrauchsspuren der jetzt – irgendwie – gefüllten, aufrecht stehenden Tüten. Virtuos überantwortet Gisbert Danberg banale Gegenstände visuellen Erkundungszügen in der Wechselwirkung der Farbwerte, der Textur der Flächen, der Eleganz der Konturen, letztlich der Ambivalenz von Motiv und Stil. Angesichts ihrer vermeintlichen Nähe und offenkundigen eigenen Besonderheit könnten die beiden Papiergebilde zu anthropomorphen Figuren mutieren, es wäre unter dieser Prämisse durchaus denkbar, die größere der beiden als männlichen, die kleine, gleichwohl mit feineren, grazileren Griffen ausgestattet, als weiblichen Part dieses Paares anzusehen. Trotz exakter Abbildgenauigkeit eröffnet sich der Imagination dennoch Raum zur Vorstellung hintersinniger Projektionen und Reflexionen.
Das vermeintliche „Paar-Modell“ der „Ungleichen Zwillinge“ ließe sich beim zweiten Gemälde, „Drei Faltige“, demnach zur Familie ausdeuten
(Dr. Elisabeth Kessler- Slotta)
Snapshot
Das Werk mit dem Titel „Snapshoots“ (2007) setzt sich mit der medialen Verführungsquelle Fernsehen auseinander, seiner Flut von Bildern, ihrer omnipräsenten Verfügbarkeit und gnadenlosen inhaltlichen Gleichschaltung. Vermeintlich in Form einer Bildergalerie, jedoch in einem adäquaten Referenzsystem vermixt der Künstler auf sechzehn Einzeltafeln – jeweils zu vieren neben- und übereinander geordnet sowie kompositionell zu einem Gesamttableau vereint – das multimediale Angebot wechselnder Formen und Inhalte, das sich in Abenteuer-Expeditionen und Alltäglichem zeigt, in Waldeinsamkeit und Fiktionalem, Sex und Erotik, Verbrechen und Gewalt, Bodybuilding, kriminalistischer Spurensicherung, Verletzung und Vereinsamung und die Kitsch-Ikone, den „röhrenden Hirschen“, nicht auslässt, um so in der Kombination aus Vergangenem und Gegenwärtigem, Sehnsuchtsbildern und Fernweh, Schönem und Schrecklichem Spiegelbilder tagtäglicher Seheindrücke zu fixieren. Film-Stills gleich ist alles Transitorische festgehalten, die gemalten Bilder sind allerdings von dauerhafterer Präsenz. Dennoch wechselt das Auge von Einstellung zu Einstellung und kann sich obendrein der Option eines Mega-Eindrucks aller Bilder zugleich nicht erwehren. Mit der Strategie, die Dinge in den Vergleich zu zwingen, vermittelt sich eine irritierende Darstellung, da sie – der medialen Praxis nicht unähnlich – die ungleichen Bildmotive kreuz und quer in Beziehung setzt. Bunt und ironisch entwickelt der Künstler damit zugleich ein Bewertungsmodell zur persönlichen Erforschung komplexer Regeln und allgemeiner Geschmacksnormen, ein in der Kunst bekanntes Vorgehen, das auch die beiden Schweizer Fotografen Peter Fischli und David Weiss praktizieren. Für Danberg fungiert das Fernsehen als Motivlieferant, der zudem in seinem Werk das Problem von Realität und Illusion thematisiert, darüber hinaus aber auch die Realität der Abbildung exemplarisch vorstellt. Denn er manipuliert bewusst, schafft Unschärfen dort, wo sie ihm relevant erscheinen, um letztlich die Autonomie einer Kunst vorzuführen, die über das Transi
Die Auseinandersetzung mit der eigenen Person stellt für Künstler seit jeher eine Herausforderung ganz eigener Art dar. Ihr stellt sich Danberg auf eine spezifische Weise, wenngleich sie innerhalb seines Schaffens quasi einem Paradigmenwechsel gleichkommt. Der Betrachter wird konfrontiert mit der abbreviaturhaften „Rumpfpartie eines Mannes im Anzug“, einer Darstellung, die irritierend nah und direkt, aber kopflos und damit nicht sogleich identifizierbar uns gegenübertritt. Dem traditionellen Porträt verweigert sich Danberg in „seiner Selbstdarstellung“, die Hände in den Hosentaschen vermittelt das Fragment eher den Eindruck von Rückzug und Verschlossenheit. Scheinbar einzig der Oberfläche, dem stofflichen Erscheinungsbild, gebührt eine gesteigerte Aufmerksamkeit; der Betrachter registriert einen korrekt in Anzug mit Hemd und Krawatte gekleideten Mann. Vom Schein einer Lampe ein wenig erhellt differenzieren sich beim genaueren Hinsehen die einzelnen Kleidungsstücke in Nuancierungen, tiefes Schwarz dominiert die Darstellung, wenngleich sich nach und nach Farbtonveränderungen hin zum Graubereich einstellen. Zentrales Bildelement ist die metallene Gürtelschnalle, die das auf sie geworfene Licht reflektiert. Ferner nimmt das Auge Wölbungen und Flächen, reichhaltige Fältelungen wahr, denen neben der Abbildtreue auch kompositorische Bezüge entsprechen. Erneut brilliert der Maler mit seinem ambivalenten Spannungsvermögen ein scheinbar uniformes Motiv suggestiv in Szene zu setzen. Virtuos stellt er die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Schau, die zum Kanon malerischer Ausdrucksmittel traditioneller Kunst gehören wie Originalität und handwerkliche Beherrschung des Mediums, dennoch im Kontrast mit ausschnitthafter Bildregie Gegenwartsbezüge schafft, die das übersättigte Auge zu fesseln vermögen.
11 Gläser
Auf Alltägliches scheint sich auch die Motivik eines weiteren Stilllebens zu konzentrieren: das aufgebrochenes Brot, eine Glaskaraffe – wohl mit Rotwein – und einen gläsernen Messbecher , offensichtlich mit Wasser gefüllt, als zentrale Bildelemente. Angeordnet auf einer gläsernen Fläche spiegeln sich so die Gegenstände und affirmieren effektvoll ihre Präsenz vor nachtschwarzem Hintergrund, aus dem sie wie eine Vision aufzutauchen scheinen. Einzig die im Raum vorhandenen Fenster reflektieren das Naturlicht in vertikalen Doppelspuren sowohl auf dem zylindrischen Messbecher als auch auf dem Hals der Karaffe, deren kugeliger Bauch als weitere Lichtquelle eine doppelflügelige Tür zurückwirft. Kunstvoll verschränkt der Maler Nahes und Fernes, Reales und nicht unmittelbar Sichtbares im Rückgriff auf Rezeptionsformen der Kunstgeschichte, wie sie für Interieur- und Stilllebendarstellungen seit dem 16. Jahrhundert charakteristisch sind.
Die drei Elemente – Brot, Wasser, Wein – fungieren darüber hinaus als zentrale Symbole einer christlichen Ikonografie, die so berühmte Namen wie den Spanier Diego Velasquez und den Deutschen Georg Flegel memorieren, deren puristische Stillleben sowohl den Mahl-Gedanken als auch Vanitas -Vorstellungen integrieren. Einzig die Formen sind neuzeitlichen Zuschnitts, wenngleich sich auch in dieser Darstellung erneut eine kalkuliert auf Wechselwirkungen bedachte Komposition enthüllt, die sich aus einer stupenden Präzision in der Wiedergabe optischer Phänomene, aus spannungsgeladener Lichtführung, betont zurückhaltender Farbgebung und einer komplexen interpretatorischen Ebene rekrutiert. Pretiosenhaft präsentiert vollzieht sich dennoch in den fundamental einfachen Bestandteilen eines liturgischen Rituals der Wandel vom Profanen zum Spirituellen und ermöglicht dadurch das Offenbarwerden einer anderen Dimension.
(Dr. Elisabeth Kessler- Slotta)